Leseprobe auss dem Inhalt (Auszug):
Das Jakobus-Evangelium über die Jugend Jesu. Biographisches Evangelium des Herrn von der Zeit an, da Joseph Mariam zu sich nahm
Jakobus, ein Sohn Josephs, hat solches alles aufgezeichnet; aber es ist mit der Zeit so sehr entstellt worden, daß es nicht zugelassen werden konnte, als authentisch in die Schrift aufgenommen zu werden. Ich aber will dir das echte Evangelium Jakobi geben, aber nur von der obenerwähnten Periode angefangen; denn Jakobus hatte auch die Biographie Mariens von ihrer Geburt an mit aufgenommen, wie die des Joseph. – Und so schreibe denn als erstes Kapitel:
1. Kapitel – Joseph der Zimmermann. Die Verlosung Mariens im Tempel. Gottes Zeugnis über Joseph. Josephs Gebet. Maria im Hause Josephs
Joseph aber war mit einem Hausbaue beschäftigt in der Gegend zwischen Nazareth und Jerusalem.
Dieses Haus ließ ein vornehmer Bürger aus Jerusalem dort der Herberge wegen erbauen, da sonst die Nazaräer bis Jerusalem kein Obdach hatten. Maria aber, die im Tempel auferzogen ward, ist reif geworden und war nach dem Mosaischen Gesetze not, sie aus dem Tempel zu geben.
Es wurden darum Boten in ganz Judäa ausgesandt, solches zu verkünden, auf daß die Väter kämen, um, so jemand als würdig befunden würde, das Mägdlein zu nehmen in sein Haus. Als solche Nachricht auch zu Josephs Ohren kam, da legte er sobald seine Axt weg und eilte nach Jerusalem und daselbst an den bestimmten Versammlungs- und Beratungsplatz in dem Tempel.
Als sich aber nach Ablauf von drei Tagen die sich darum gemeldet Habenden wieder am vorbestimmten Orte versammelt hatten und ein jeder Bewerber um Maria einen frischen Lilienstab so bestimmtermaßen dem Priester dargereicht hatte, da ging der Priester sobald mit den Stäben in das Innere des Tempels und betete dort.
Nachdem er aber sein Gebet beendet hatte, trat er wieder mit den Stäben heraus und gab einem jeglichen seinen Stab wieder. Alle Stäbe aber wurden sobald fleckig, nur der zuletzt dem Joseph überreichte blieb frisch und makellos.
Es hielten sich aber darob einige auf und erklärten diese Probe für parteiisch und somit für ungültig und verlangten eine andere Probe, mit der sich durchaus kein Unfug verbinden ließe. Der Priester, darob etwas erregt, ließ sobald Mariam holen, gab ihr eine Taube in die Hand und behieß sie zu treten in die Mitte der Bewerber, auf daß sie daselbst die Taube frei solle fliegen lassen, und sprach noch vor dem Auslassen der Taube zu den Bewerbern: „Sehet, ihr Falschdeuter der Zeichen Jehovas! – Diese Taube ist ein unschuldig reines Tier und hat kein Gehör für unsere Beredung, sondern lebt allein in dem Willen des Herrn und verstehet allein die allmächtige Sprache Gottes!
Haltet eure Stäbe in die Höhe! – Auf dessen Stab diese Taube, so sie das Mägdlein auslassen wird, sich niederlassen und auf dessen Haupt sie sich setzen wird, der solle Mariam nehmen!“
Die Bewerber aber waren damit zufrieden und sprachen: „Ja, dies soll ein untrüglich Zeichen sein!“ Da aber Maria die Taube auf Geheiß des Priesters freiließ, da flog dieselbe sobald zu Joseph hin, ließ sich auf seinen Stab nieder und flog dann vom selben sogleich auf das Haupt Josephs.
Und der Priester sprach: „Also hat es der Herr gewollt! Dir, du biederer Gewerbsmann, ist das untrügliche Los zugefallen, die Jungfrau des Herrn zu empfangen! So nehme sie denn hin im Namen des Herrn in dein reines Haus zur ferneren Obhut, Amen.“
2. Kapitel – Der neue Vorhang im Tempel. Marias Arbeit am Vorhang
Es war aber zu der Zeit noch ein Vorhang im Tempel vonnöten, da der alte hie und da schon sehr schadhaft geworden war, um zu decken das Schadhafte. Da ward denn von den Priestern ein Rat gehalten, und sie sprachen: „Lasset uns einen Vorhang machen im Tempel des Herrn zur Deckung des Schadhaften. Denn es könnte ja heute oder morgen der Herr kommen, wie es geschrieben steht, – wie würden wir dann vor Ihm stehen, so Er von uns den Tempel also verwahrlost fände?“
Der Hohepriester aber sprach: „Urteilet nicht doch gar so blind, als wüßte der Herr, dessen Heiligtum im Tempel ist, nicht, wie nun da bestellet ist der Tempel! Rufet mir aber dennoch sieben unbefleckte Jungfrauen aus dem Stamme Davids, und wir wollen dann eine Losung halten, wie da die Arbeit ausgeteilt sein solle!“ Nun gingen die Diener aus, zu suchen die Jungfrauen aus dem Stamme Davids und fanden mit genauer Not kaum sechs und zeigten solches dem Hohenpriester an. Der Hohepriester aber erinnerte sich, daß die dem Joseph erst vor wenigen Wochen zur Obhut übergebene Maria ebenfalls aus dem Stamme Davids sei, und gab solches sobald den Dienern kund. Und sobald gingen die Diener aus, zeigten solches dem Joseph an, und er ging und brachte Mariam wieder in den Tempel, geleitet von den Dienern des Tempels.
Als aber die Jungfrauen in der Vorhalle versammelt waren, da kam sobald der Hohepriester und führte sie allesamt in den Tempel des Herrn. Und als sie da versammelt waren in dem Tempel des Herrn, da sprach sobald der Hohepriester und sagte: „Höret, ihr Jungfrauen aus dem Stamme Davids, der da verordnet hatte nach dem Willen Gottes, daß da die feine Arbeit am Vorhange, der da scheidet das Allerheiligste vom Tempel, allzeit solle von den Jungfrauen aus seinem Stamme angefertigt werden, und solle nach seinem Testamente die mannigfache Arbeit durch Verlosung ausgeteilt werden, und solle dann eine jede Jungfrau die ihr zugefallene Arbeit nach ihrer Geschicklichkeit bestens verfertigen! Sehet, da ist vor euch der schadhafte Vorhang, und hier auf dem goldenen Tische liegen die mannigfachen rohen Stoffe zur Verarbeitung schon bereitet!
3. Kapitel – Die Ankündigung der Geburt des Herrn durch einen Engel. Marias demutvolle Ergebenheit
An einem Freitage morgens aber nahm Maria abermals den Wasserkrug und ging hinaus, ihn mit Wasser zu füllen, und horch! – eine Stimme sprach zu ihr: „Gegrüßet seist du, an der Gnade des Herrn Reiche! Der Herr ist mit dir, du Gebenedeite unter den Weibern!“ Maria aber erschrak gar sehr ob solcher Stimme, da sie nicht wußte, woher sie kam, und sah sich darum auch behende nach rechts und links um; aber sie konnte niemanden entdecken, der da geredet hätte. Darum aber ward sie noch voller von peinigender Angst, nahm eiligst den gefüllten Wasserkrug und eilte von dannen ins Haus. Als sie da bebend anlangte, stellte sie sobald den Wasserkrug zur Seite, nahm den Purpur wieder zur Hand, setzte sich auf ihren Arbeitssessel und fing den Purpur wieder gar emsig an fortzuspinnen. Aber sie hatte sich noch kaum so recht wieder in ihrer Arbeit eingefunden, siehe, da stand schon der Engel des Herrn vor der emsigen Jungfrau und sprach zu ihr: „Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast eine endlos große Gnade gefunden vor dem Angesichte des Herrn; siehe, du wirst schwanger werden vom Worte Gottes!“
Als Maria aber dieses vernommen hatte, da fing sie an, diese Worte hin und her zu erwägen, und konnte nicht erfassen ihren Sinn; darum sprach sie denn zum Engel: „Wie solle denn das vor sich gehen, bin ich doch noch lange nicht eines Mannes Weib und habe auch noch nie dazu eine Bekanntschaft mit einem Manne gemacht, der mich sobald nähme zum Weibe, auf daß ich gleich andern Weibern schwanger würde und dann gebäre ihnen gleich?“ Der Engel aber sprach zur Maria: „Höre, du erwählte Jungfrau Gottes! Nicht also solle es geschehen, sondern die Kraft des Herrn wird dich überschatten. Darum wird auch das Heilige, das da aus dir geboren wird, der Sohn des Allerhöchsten genannt werden! Du sollst Ihm aber, wann Er aus dir geboren wird, den Namen Jesus geben; denn Er wird erlösen Sein Volk von all den Sünden, vom Gerichte und vom ewigen Tode.“ Maria aber fiel vor dem Engel nieder und sprach: „Siehe, ich bin ja nur eine Magd des Herrn; daher geschehe mir nach Seinem Willen, wie da lauteten deine Worte!“ – Hier verschwand der Engel wieder, und Maria machte sich wieder an ihre Arbeit.
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