Leseprobe dem Inhalt (Auszug):
277. Kapitel – Vom wahren Wesen Gottes. Die Liebe wirkt in engen aber klaren Kreisen.
[RB.02_277,01] Sagt der Bote: „Diese ängstliche Verwunderung ist schon wieder eine Folge eurer allerhöchsten Begriffe von Gott. Aber diese Begriffe taugen nicht zum wahren Leben aus und in der Liebe! Was geht euch denn das Unendliche des göttlichen Wesens an? Haltet euch nur an die Liebe, die alles, was sie einmal angezogen hat, in engen Kreisen um sich versammelt haben will.
Die Liebe ist ein Feuer, das sammelt und nicht zerstreut. Das Licht aber, das von der hellen Flamme der Liebe ausgeht, wallt freilich in geraden Strahlen ewigfort weiter und kehrt nicht zurück, außer die Liebe Gottes hat ihm Schranken gesetzt, an denen es sich stößt und den Rückweg zu seinem Ursprung antritt. So ihr aber die Gottheit nach der Ausdehnung Ihres Lichtausströmens beurteilt und dadurch wahre ,Lichtreiter‘ seid – auf den Flügeln des Geistes die weiten Räume durchfliegend und das Dasein der großen Gottheit suchend – bleibt euch freilich die wahre Erkenntnis des eigentlichen Gottwesens ewig fern. Ihr müßt endlich vor der endlosen Gottesgröße erliegen und vermögt euch nimmer aufzurichten in eurem Herzen, mit dem ihr allein schauen und fassen mögt das wirkliche Wesen Gottes, eures Vaters. Steht aber dann ein Wesen wie Ich vor euch und sagt: ,Ich bin es, den ihr so lange vergeblich im Unendlichen gesucht habt!‘ – so erschreckt ihr und fahrt wie ohnmächtig zusammen. Die Ursache ist: weil ihr das Wesen, das sich euch als die wahre Gottheit in Ihrem Ursein vorstellt, noch immer mit den Unendlichkeitsaugen angafft und euer Gemüt von neuem mit eurer eitlen Einbildung ins Endlose auszutreiben beginnt.
Es ist wohl recht, daß ein Geist oder ein Mensch das Gottwesen betrachtet in den Werken; aber er soll sich von ihnen nicht verschlingen lassen! – Seht, in der ersten Zeit der Erde haben die Menschen ihre Lust gehabt, riesenhafte Bauten aufzuführen. Ein Nimrod baute Babylon und einen über die Berge ragenden Turm. Eine Semiramis ließ Berge abtragen. Ein Ninus erbaute das große Ninive. Die alten Pharaonen überschwemmten Ägypten mit den kolossalsten Bauten und Bildern. Die Chinesen erbauten eine Mauer von vielen Hunderten Meilen Länge. Wollte man nun solche Erbauer sich ebenso groß vorstellen, wie da ihre Werke waren, müßte man doch von jedem heller Denkenden für einen Narren gehalten werden. Seht, diese Urbaumeister der großen Gebäude der Erde waren als Menschen um nichts größer als ihr. Nur ihre Kräfte verstanden sie ins Große auszudehnen und wirksam zu machen.
So aber schon die kleinen, geschaffenen Menschen große Werke zuwege bringen und dabei selbst nicht um ein Haar größer werden, warum soll denn dann die Gottheit in Ihrem Urwesen ebenso groß sein wie Ihre Bauten? Es heißt doch: ,Gott schuf den Menschen nach Seinem Ebenmaße‘. Warum soll dann Gott ein Riese und die nach Seinem Maß geschaffenen Menschen pure atomistische Tierlein sein, die zu Trillionen einen Tautropfen bewohnen können?
War denn Christus, der doch in aller Fülle Gott und Mensch zugleich war, ein Riese, als Er auf der Erde das Werk der Erlösung vollzog? Er war der Gestalt nach durchaus kein solcher, obschon Seine Werke von für euch nie meßbarer Größe waren. Und seht, derselbe durchaus nicht riesenhafte Jesus steht auch jetzt vor euch! Nur Sein Geist, der aus Ihm strömt wie das Licht aus der Sonne, wirkt ewig in der ganzen Unendlichkeit mit ungeschwächter Kraft. Aber dieser Geist geht euch nichts an, so ihr bei dem Urquell euch befindet und ihr beim Herrn alles Geistes seid. Darum faßt Ihn nach Seiner Liebe und nicht nach Seinem ausströmenden Lichte, dann seid ihr wahrhaft Seine Kinder, wie Er euer aller Vater ist!
Wäre es von den Astronomen nicht dumm, wollten sie die Sonne bemessen nach der Reichweite ihrer Lichtstrahlen? Diese dringen fort und fort durch die Tiefen des ewigen Raumes, und ihr Maß wird stets größer von Sekunde zu Sekunde. Mit welchem Maßstab wäre solch eine törichte Bemessung wohl möglich? Daher messen die Sternkundigen die Sonne selbst, da ihr Maß ein stetiges und bleibendes ist.
So tut auch ihr! Mich, wie Ich nun vor euch stehe, meßt mit dem rechten Maß der Liebe in euren Herzen und habt keine läppische Furcht vor Mir, der Ich doch ganz euer Maß habe und euch liebe aus aller Kraft Meines Herzens! Dann seid ihr Mir angenehm und könnt so über alle Maßen selig sein im engen Kreis der Liebe, außer dem es für euch nirgends eine wahre Seligkeit geben kann. Habt ihr Mich wohl verstanden oder ist euch noch irgend etwas dunkel geblieben?“
Sagen nun die selig Staunenden: „O Herr, wie ganz anders bist Du doch, als wir Dich uns vorgestellt haben! Ja, so kann und muß man Dich aus dem freiesten Herzen über alles lieben! Wer Dich nicht erkennt, wie Du bist, trägt in seiner Blindheit Fegfeuer und Hölle in sich. Wer Dich aber erkennt, wie wir nun, bei dem hat sich mit einem Schlag alles in den Himmel der Himmel verwandelt.
Aber wer kann dafür, daß die Menschen auf der Erde gar so dumme Begriffe von Dir haben? Am meisten trägt dazu wohl die Lehre Roms bei. Diese lehrt einen Gott, vor dem man wohl die scheußlichste Angst, nie aber eine Liebe zu Ihm haben kann. Man wird dabei wohl voll von aller Hölle und ihren Schrecken, aber von Liebe kann da keine Rede sein. Wo die Furcht das Zepter führt, da ist die Liebe fern.
Jetzt begreifen wir alles auf ein Haar. Die Liebe webt und wirkt nur in engen, aber sehr klaren Kreisen. Nur so erwärmt sie den Großen wie den Kleinen, den Künstler und den Weisen. Wahrlich, sie allein ist alles in allem! Sie ist die wirkliche Sonne; alles andere ist nur Schein und wesenloses Abbild. O Herr, wie gut bist Du!“
278. Kapitel – Ort der wahren Glückseligkeit – im Menschenherzen. Der Weg zum Himmel drei Spannen lang.
[RB.02_278,01] Rede Ich: „Ja, so ist es! Nur auf dem engen Pfad und am engen Plätzchen ist jedes Menschen wahres Glück und wahre Seligkeit zu erreichen! Wer es auf breiten Straßen sucht und der Meinung ist, die Seligkeit sei nur am großen Platz voll Glanzes zu suchen, der findet sie nimmer. Nur der Hochmut baut breite Straßen des Verderbens und errichtet große Plätze, aber diese bedingen weder materiell noch geistig das Glück der Menschen.
Ihr habt auf der Welt oft gesehen, wie sich die Großen auf Kosten der Kleinen und Armen mästen. Wer aber ward noch glücklich durch Gold, Silber und Edelsteine? Ich sage euch: Niemand! Ruhmsucht und Habgier finden viel zuwenig Sättigung und trachten Tag und Nacht zu noch mehr Glanz und Ruhm und Reichtümern zu gelangen. Wer unzufrieden ist, der ist auch nicht glücklich und kann es auch nie werden. Ein großer und breiter Platz braucht viel, bis er voll wird, und selbst dann genügt er dem Besitzer nicht mehr. Dieser strebt nun nach Erweiterung und der Anfüllung des Platzes, und so treibt da ein verderblicher Keil den andern. Es ist nicht möglich, daß solche Menschen je an ein Ziel gelangen können, wo sie einmal ein wahres, bleibendes Glück fänden.
Was macht denn eigentlich das größte Unglück aller Höllengeister aus? Es ist das Streben nach dem Unendlichen! Die Unendlichkeit aber hat keine Rückwand und keine Grenzen. Daher ist es leicht begreiflich, daß ein von der Hölle erfüllter Geist unmöglich zu einer Glückseligkeit gelangen kann. Wer die Seligkeit im Unendlichen sucht, kann sie unmöglich je finden! Je weiter er dringt, eine desto endlosere Kluft ersieht er vor sich, über die er ewig nicht gelangen wird.
Mein Reich ist daher in eines jeden Menschen kleines Herz gelegt. Wer da hineinkommen will, muß also in sein eigenes Herz eingehen und sich da ein Plätzchen der Ruhe gründen, die da heißt Demut, Liebe und Zufriedenheit. Ist er damit in der Ordnung, ist auch sein Glück für ewig gemacht. Er wird dann bald sehr viel mehr finden, als er je erwartet hatte. Denn ein kleines Häuschen ist gewiß leichter mit allem Nötigen einzurichten als ein großer Palast, der noch immer leer aussieht, wenn sich auch schon tausende Einrichtungsstücke darin befinden.
Ihr müßt euch daher auch von Meinen Himmeln keine zu breiten Gedanken, sondern ganz enge und kleine Vorstellungen machen, dann werdet ihr darinnen die wahre Glückseligkeit finden. – Ein Herz voll Liebe zu Mir und zu den Brüdern und Schwestern, sowie ein tätigkeitslustiger und tätigkeitsvoller Sinn, das wird jedem von euch die wahre, ewige Seligkeit begründen.
So sollt ihr euch Meine Himmel auch nicht irgendwo als recht weit entfernt vorstellen, sondern ganz nahe. Der ganze Weg beträgt höchstens drei Spannen Maß: die Entfernung vom Kopf bis ins Zentrum des Herzens! Habt ihr diese kleine Strecke zurückgelegt, so seid ihr auch schon drinnen. Denkt ja nicht, daß wir etwa eine Auffahrt über alle Sterne hinauf und hinaus machen werden, sondern eine Niederfahrt nur in unser Herz. Da werden wir unsere Himmel und das wahre, ewige Leben finden!“
279. Kapitel – Des Herrn schlichte, doch machtvolle Rede. Über den kurzen Himmelsweg. Kopfverstand und Herzenserkenntnis. Gleichnis vom Obstpflücken
[RB.02_279,01] Sagen die Lichtblauen: „Daß Du es bist – der wahrhaftige und ewige Gott, Herr und Schöpfer aller Himmel, Sonnen und Erden, darüber haben wir nun keinen geringsten Zweifel mehr. Denn man darf Dich nur reden hören, und alle Bedenken schwinden gleich wie Nebel im Licht der Sonne. Wie Du Selbst auf der Erde unnachahmlich für jeden geschaffenen Geist gesprochen hast, so sprichst Du nun auch vor uns. In Deiner prunklosen Redeweise sprudeln Ströme der tiefsten Wahrheit und göttlichen Liebeweisheit gleich den mächtigsten Quellen hervor!
Wie herrlich ist die Darstellung des Weges in Dein Reich! Nur geht es uns dabei wie einst Nikodemus, der auch nicht wußte, als Du, o Herr, von der Wiedergeburt mit ihm sprachst, was er aus ihr machen solle. Der Weg vom Kopf bis ins Zentrum des Herzens wäre wahrlich kurz, aber wie ihn antreten? Die Sache klingt trotz der darin verborgenen Weisheit sehr rätselhaft, und wir möchten hier auch mit Nikodemus fragen: ,Herr, wie können wir mit unseren Füßen in unseren eigenen Leib, ja sogar ins Zentrum unseres Herzens hineinsteigen?‘ Es wäre vielleicht doch leichter, in den allerletzten Stern Deiner endlosen Schöpfungen zu gelangen als in unser eigenes Herz hinein.
Da müssen wir Dich, o Herr, schon um eine nähere Beleuchtung anflehen, wie es auch öfter Deine Apostel auf der Erde getan haben. Denn auch ihnen kamen nicht selten Deine weisesten Lehren wie spanische Dörfer vor, bei denen sich kein Fremder auskennt. Wo ist da der Eingang und wie mag der Bauplan aussehen? Herr, erkläre uns diese Sache ein wenig näher!“
Sage Ich: „Daß ihr solches nicht versteht, daran schuldet nur euer noch sehr nach Irdischem riechender Sinn. So gescheit aber solltet ihr doch schon sein, daß da von keinem naturmäßigen Gehen mit den Füßen die Rede sein kann, sondern nur von einer reingeistigen Reise im Gemüt. Nikodemus war noch ein irdisch-materieller Mensch, und es war daher begreiflich, daß er mit seinen Begriffen den Mutterleib als Notwendigkeit ansah, um aus ihm zum zweiten Mal wiedergeboren werden zu können. Ihr aber seid nun schon selbst völlig aller groben, irdischen Materie bar – wie mögt ihr als Geister gar so materiell denken?
Habt ihr an euch denn nie eine doppelte Art geistiger Tätigkeit entdeckt, nämlich eine im Kopf und eine andere im Herzen? Seht, im Kopf sitzt der Seele kalt berechnender Verstand und sein Handlanger, die Vernunft, die am seelischen Verstandesleib gleicht einem weit ausgreifenden Arm voll Augen und Ohren. Der Verstand verlängert diesen Arm stets mehr und will mit ihm am Ende die ganze Unendlichkeit an sich reißen. Dies eitel-tolle Bestreben aber ist an sich eben jene gefährliche, Tod und Gericht bringende Eigenschaft der Seele, die da mit dem Wort Hochmut bezeichnet wird. Im Herzen aber ruht die Liebe als ein Geist, aus Meines Herzens Geist genommen. Dieser Geist hat aber so wie Mein eigener ohnehin schon alles zahllosfältig in sich, was die Unendlichkeit vom Größten bis zum Kleinsten enthält.
Wenn nun der hochtrabende Verstand, das Eitle seiner törichten Bemühung einsehend, seinen vorbezeichneten Arm – der da ist seine Vernunft oder sein Vernehmvermögen – anstatt mit ihm das Unerreichbare erreichen zu wollen, demütig zurückzieht und in das Herz (als die Wohnung Meines Geistes im Menschen) leitet – so macht er die bezeichnete drei Spannen lange Reise. Man gelangt auf solchem Wege zum wahren, ewigen Leben, zu der wahren, seligen Ruhe und findet da alles beisammen, was die ganze Unendlichkeit enthält.
Dieses endlose Innenreich wird freilich erst Teil um Teil offenbar gleich dem Gewächs aus dem kleinen Keim, der im Zentrum des Samenkorns verborgen ist. Ob aber aus diesem Geistkeim früher oder später, reicher oder minder reich die Saat Meiner Werke zu voller Reife aufgehen wird, hängt lediglich von der Stärke der Liebe zu Mir und zum Nächsten ab. Denn die Liebe des Herzens zu Mir ist gleich dem Licht und der Wärme der Sonne, und die Liebe zum Nächsten ist der notwendig fruchtbare Regen. So aber Sonne und Regen in rechter Ordnung miteinander wirken, wird jede Saat bestens gedeihen und in Bälde zur Reife gelangen.
Ich will euch zum besseren Verständnis noch ein leicht faßliches Bild geben: Es verhält sich mit dieser Sache so, wie wenn ein Vater seine Kindlein im Sommer in seinen Garten ausführte, der voll ist von Bäumen mit reifen Früchten belastet. Die Kinder voll Begierde möchten gleich auf die Bäume steigen, die Früchte hastig abpflücken und im Übermaße essen. Der weise Vater aber sagt zu den unerfahrenen Kindlein: ,Bleibt nur schön bei mir! Würdet ihr mit euren schwachen Kräften auf die Bäume steigen und euch die Früchte nehmen, so würdet ihr leicht vom Baum herabfallen, euch Hände und Füße brechen oder gar zu Tod fallen. Ich und meine Knechte aber sind groß und stark und wissen, wie die Früchte zu ernten sind. Wartet daher ruhig! Ich selbst werde sie von den hohen Bäumen herabholen und sie in euren Schoß legen, so werdet ihr sie ganz ohne alle Mühe genießen können. Werdet ihr aber einmal selbst groß und stark sein, dann werdet ihr auch selbst Meister der hohen Bäume werden.‘ – Versteht ihr dieses Bild?“
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